Oberschule Weißig

BO-Messe und Bewerbungstraining virtuell – (k)ein Ersatz für die Umsetzung in real life?

Unter den aktuellen Herausforderungen der Coronapandemie gestaltet sich die Berufsorientierungsarbeit im Rahmen von Praxisberatung als ausgesprochen schwierig – Schüler*innen können nicht an die Schule kommen, Unternehmen ist es nicht möglich, Besucher*innen zu empfangen und nicht selten liegen bei den verschiedenen Akteur*innen im Handlungsfeld nachvollziehbare Schwierigkeiten obenauf, so dass berufliche Orientierung mitunter an den Rand gedrängt scheint. Soll Projektarbeit unter diesen Bedingungen gelingen, so muss sie gut vorbereitet und v.a. attraktiv ausgestaltet sein! An der Oberschule Dresden Weißig stellt die Berufsorientierungsarbeit einen zentralen Bezugspunkt des gesamten Schullebens dar (sh. auch https://cms.sachsen.schule/osddwei/berufsorientierung/), weswegen auch alle Lehrkräfte die Vorhaben und das Engagement der Praxisberaterin bereitwillig unterstützen. So ist auch in der Corona-Pandemie das Thema ‚berufliche Orientierung‘ nicht ins Abseits geraten.

Dies belegt mithin die Durchführung zweier größerer Projekte, die in Kooperation mit der intersyst GmbH an unserer Schule durchgeführt wurden – eine digitale Berufsorientierungsmesse im November 2020 sowie ein virtuelles Bewerbungstraining im zurückliegenden Februar.

Unsere schon nahezu zur Tradition gewordene Berufsorientierungsmesse, die seit 2018 jedes Jahr mit Erfolg und großer Resonanz veranstaltet wird, konnte, dessen waren wir uns frühzeitig bewusst, in 2020 nicht wie geplant stattfinden. Da uns an der Schule dieses Angebot aber ausgesprochen wichtig ist und bereits zahlreiche andere berufsorientierende Maßnahmen aufgrund der coronabedingten Einschränkungen nicht stattfinden konnten, haben wir beschlossen, alles daran zu setzen, die Berufsorientierungsmesse doch, wenn auch in einem virtuellen Format, stattfinden zu lassen. Weil die Umsetzung eines solchen Vorhabens, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch, ein wahres Großprojekt darstellt, entschieden wir, uns einen starken und versierten Partner ins Boot zu holen. Diesen haben wir mit dem Berufsorientierungsangebot der „Onkel Sax“-Ausbildungskampagne, einer Marke der intersyst GmbH.

Frau Christiane Breu vom „Onkel Sax“-Team unterstützte unser Vorhaben von Anbeginn sehr engagiert und berücksichtigte eine Vielzahl unserer schuleigenen Bedarfe, v.a. was die Akquise der beteiligten Unternehmen, als Repräsentanten präferierter Berufsfelder, aber auch Teile der inhaltlichen Umsetzung anbelangte.

Ich als Praxisberaterin verantwortete in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit Schulleitung wie Lehrkräften die Organisation vor Ort. In zahlreichen Gesprächen untereinander entwickelten wir einen Plan für eine zweiwöchige Berufsorientierungsmesse im Zeitraum vom 07.12.2020 bis 18.12.2020 auf rein virtueller Basis. Die Zielgruppe unserer Veranstaltung sollten die Klassen 7 bis 9 sein, was an unserer Schule immerhin einer Schüler*innenzahl von 225 entspricht.

Für die Präsentationen der an der Messe teilnehmenden Unternehmen legten wir eine Struktur zugrunde, welche sich an den allgemein bekannten Berufsfeldern orientieren sollte. Diese sind den Schüler*innen vertraut, so dass sie sich sehr gut orientieren und für passende Angebote anmelden bzw. im Rahmen der Durchführung bei diesen einwählen konnten.

Ein großer Vorteil mit Blick auf die gelingende Umsetzung bestand darin, dass „Onkel Sax“ auch die passenden Arbeitsaufträge für die Schüler*innen erstellt hatte. Ungeachtet der optimalen Rahmenbedingungen, die uns unser Kooperationspartner auf diese Weise zur Verfügung stellte, war es ein enormer Aufwand, die Umsetzung zu realisieren. In zahlreichen Lernsax-Austauschen haben wir für unser Angebot geworben, die Schüler*innen für die Teilnahme sensibilisiert und sie individuell auf die Messe eingestimmt. Dabei haben wir ihnen den Ablauf der Messe ausgiebig erläutert und – so gut es im virtuellen Austausch ging – mit ihnen Fragen erarbeitet, die sie an die virtuellen Aussteller*innen richten konnten. Für unsere IT-Expertin an der Schule, Frau Wiedemann, war es dann noch einmal besonders aufregend, denn sie musste die virtuellen Klassenzimmer bei Lernsax sowie die zahlreichen Gastzugänge für die teilnehmenden Unternehmen einrichten.

Dann war es natürlich für uns spannend, ob alles funktionieren würde. Und in der Tat, es klappte alles. Zwei Wochen lang konnten unsere Schüler*innen an insgesamt 80 Sessions mit Vertreter*innen von 12 Unternehmen teilnehmen. Die Unternehmen, welches auch immer stellvertretend für etwaige Berufsfelder standen, konnte sich 20 Minuten lang vorstellen. Sodann nutzten die Schüler*innen die Möglichkeit, ihnen interessierte Fragen zu stellen. Hakte es mal an einer Stelle mit einer passenden Nachfrage, sprang jemand von uns, also eine teilnehmende Lehrerin, Frau Breu oder ich, ein. Immer wieder ermahnten wir zudem die Schüler*innen, an ihre Arbeitsblätter zu denken und sie mit relevanten Informationen zu befüllen. Pro Tag hatten wir bis zu 6 Unternehmensvorstellungen. Das war natürlich sehr anstrengend, aber schlussendlich freuten wir uns sehr, dass alles so gut geklappt hatte und sich so viele Schüler*innen in die Konferenzen eingewählt hatten. Besonders beeindruckt waren wir, dass die Schüler*innen nach anfänglicher Scheu so interessiert nachfragten und auch mit den Aussteller*innen rege diskutierten. Dass die Messe ein großer Erfolg war, das bestätigten uns schließlich auch die Feedbacks der Schüler*innen, die wir im Januar einholten.

Bei unserem zweiten ‚Großprojekt‘ handelte es sich um ein virtuelles Bewerbungstraining mit Schüler*innen der Klassenstufe 9 vom 20. bis 22.01.2021. Das Üben von Bewerbungen und Bewerbungssituationen ist ein fester Bestandteil unseres schuleigenen BO-Konzepts und wird modularisiert bereits seit 4 Jahren, ebenfalls in Kooperation mit Onkel Sax, durchgeführt. In Klassenstufe 8 findet stets, im Sinne eines Startschusses, ein freiwilliger Bewerber*innenworkshop, angeleitet von der Praxisberaterin, statt. Mit etwas Abstand, ebenfalls in Klasse 8, erhalten die Schüler*innen im Fach Deutsch sodann die Grundlagen einer Bewerbungserstellung – das Schreiben einer aussagekräftigen Bewerbung, die Arbeit an einem seriösen Layout, das Verfassen eines Lebenslaufs etc. – vermittelt. In Klassenstufe 9 werden diese frühzeitig gesetzten Impulse abermals aufgegriffen, wenn die Schüler*innen dann ihre erste reale Bewerbung für das Pflichtpraktikum, zuvorderst im Deutschunterricht, erstellen.

Im Normalfall besteht der nachfolgende Schritt darin, dass die Schüler*innen einer jeden Klasse an einem bestimmten Tag mit ausgewählten Vertreter*innen von bis zu 10 Unternehmen intensiv Vorstellunggespräche üben. Jede_r Schüler*in erhält dabei wichtige Informationen, z.B. zum klassischen Ablauf solcher Gespräche, Erwartungshaltungen der Unternehmen etc., und natürlich auch individuelle Feedbacks zu ihren geprobten Vorstellungsgesprächen. Vor dem Hintergrund der seit Dezember gegebenen Lockdown-Situation haben wir an der Schule nun intensiv überlegt, wie dieses für unsere Berufsorientierungsarbeit eminent wichtige Modul des Bewerbungstrainings doch und zudem erfolgreich umgesetzt werden kann. Wir entschieden uns für eine digitale Variante. Noch vor dem Lockdown hatten wir den Schüler*innen der Klassenstufe 9 eine Liste mit potentiellen Praktikumsbetrieben, geordnet nach Berufsfeldern, ausgehändigt. Die Schüler*innen sollten sich nun einen sie interessierenden bzw. für sie passenden aussuchen und, so wie sie es zuvor gelernt hatten, eine aussagekräftige Bewerbung für das anstehende Pflichtpraktikum erstellen. Alle Schüler*innen, die fristgerecht ihre Bewerbungsunterlagen erstellt und bei uns eingereicht hatten, wurden zur Teilnahme am Projekt eingeladen. Zuerst einmal erhielten alle Schüler*innen von unserem Partner, „Onkel Sax“, ein Handout, welches ihnen den Weg durch den Bewerbungsdschungel weisen sollte. Es hielt die Schüler*innen dazu an, Informationen zum Ausbildungsbetrieb, dem zugehörigen Berufsschulzentrum sowie den wahrscheinlichen Ausbildungsinhalten zusammenzutragen. Sodann sollten sie die_den Ansprechpartner*in beim interessierenden Praktikumsbetrieb recherchieren und sich Fragen überlegen, die sie ihr_ihm gern stellen würden. Dieser Arbeitsschritt, der aufgrund der Corona-Einschränkungen von den Jugendlichen in häuslicher Eigenverantwortung gestaltet werden musste, wurde durch zwei Videokonferenzen, in denen ergänzende Erklärungen geliefert und etwaige Fragen beantwortet wurden, flankiert.

Für den Tag des virtuellen Bewerbungstrainings erhielten alle Schüler*innen dann einen eigenen datenschutzrechtlich geprüften Link. Die Teilnehmer*innen befanden sich ab dann in Einzelkonferenzen mit Unternehmensvertreter*innen, die sie gewissermaßen individuell zum Ablauf von Bewerbungsgesprächen coachten.

Unsere BO-Lehrerin erhielt dann im Nachgang von Seiten der ‚Coaches‘ aussagekräftige Auswertungsprotokolle, die Einblick gaben, wie sich die Schüler*innen geschlagen hatten. Abschließend fand eine Videokonferenz mit allen Teilnehmer*innen der Veranstaltung statt. Leider nutzten die Schüler*innen diesen finalen Austausch nicht im erhofften Umfang; trotzdem wurde hier angeregt und konstruktiv diskutiert. Erleichternd wie erfreulich war, dass sich viele der Jugendlichen zudem im Nachgang per E-Mail meldeten und nochmals um weitere Erklärungen baten. Sowohl die Abschlusskonferenz als auch die späteren Kontaktaufnahmen, vorrangig per E-Mail, machten deutlich, dass das Angebot sehr gut ankam und von den Schüler*innen als wertvoller Erfahrung eingeschätzt wurde. Erfreulich war zudem, dass auch einige Eltern Kontakt zu den Projektverantwortlichen aufnahmen und sich für das tolle Projekt, an dem ihre Kinder teilnehmen durften, bedankten.


Was gilt es nun, v.a. mit Blick auf die Durchführung zweier sehr aufwendig angelegter Projekte im digitalen Format, zu resümieren? Natürlich kann die virtuelle Modularbeit die Erfahrungen auf Seiten der Schüler*innen, die in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit der Berufswelt gesammelt werden können, nicht eins zu eins ersetzen – dies sollte allen klar sein! Ungeachtet dessen sind wir aktuell aber alle herausgefordert, Strukturen so gut es geht aufrecht zu erhalten und unseren Schüler*innen etwas an die Hand zu geben, damit sie nicht den Faden, auch im Bereich der Berufsorientierung, verlieren. Und dies können durchaus auch gut ausgestaltete digitale Angebote der Berufsorientierung leisten!

Darüber hinaus glaube ich, dass die Nutzung digitaler Formate in der Berufsorientierung, auch nach Corona, erhalten bleiben wird. Unternehmen werden in Zukunft viele Hoffnungen, aber auch Engagement in den Aufbau und die Etablierung virtueller BO-Angebote setzen, nicht zuletzt, da auf diese Weise zeitliche wie räumliche Begrenzungen überwunden werden können. Darum wird auch für Praxisberater*innen der Einsatz entsprechender Instrumente, wie virtuelle Betriebserkundungen, digitale Betriebsvorstellungen oder auch der Einsatz von VR-Brillen in der Berufsfelderkundung, mehr als nur eine Option sein. Die virtuelle Berufsorientierungsarbeit stellt darum, sowohl was die Gegenwart als auch die Zukunft anbelangt, keinen (schlechten) Kompromiss und Ersatz dar, sondern spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der berufsorientierenden Unterstützungsarbeit von Schüler*innen. In der aktuellen Krise liegt darum zweifelsohne auch eine Chance für die innovative Weiterentwicklung der Praxisberatung.

Herzlich möchte ich mich an dieser Stelle nochmals bei allen bedanken, die zum Gelingen unserer beiden Projekte beigetragen haben, v.a. aber bei Christiane Breu von “Onkel Sax“.